Glaubt an dieses Österreich!

 

Bild © Peter Diem

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Leopold Figl

2. Oktober 1902 – geboren in Rust im Tullnerfeld, Niederösterreich 
1933 – Direktor des Niederösterreichischen Bauernbundes
1938-1943 – Konzentrationslager Dachau
1944-1945 – Konzentrationslager Mauthausen
1945-1953 – Bundeskanzler
1953-1959 – Außenminister
1959-1962 – Präsident des Nationalrates
1962-1965 – Landeshauptmann von Niederösterreich
9. Mai 1965 – gestorben in Wien 

Als drittes von insgesamt neun Kindern einer Bauernfamilie im Tullnerfeld, NÖ, geboren, musste Leopold Figl schon im Kindesalter, nach dem frühen Tod seines Vaters 1914, zusammen mit seinen älteren Brüdern Verantwortung für die Großfamilie übernehmen. Seine Mutter ermöglichte ihm trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten den Besuch des Gymnasiums in St.Pölten und das Studium der Bodenkultur in Wien. Mitarbeit am elterlichen Hof war ihm trotz seiner kargen Freizeit als Werkstudent stets Verpflichtung.

Schon während des Studiums begann sein Interesse für die Politik, wobei Leopold Figl vor allem der bäuerliche Bereich, sein unmittelbares Umfeld, am stärksten am Herzen lag. Daher war es auch nicht verwunderlich, dass seine berufliche Laufbahn im Niederösterreichischen Bauernbund begann und er schon bald nach seiner Sponsion zum Diplomingenieur zum Direktor ernannt wurde. In der damaligen wirtschaftlich schwierigen Situation galt es nicht nur, die Existenzgrundlagen des Bauernstandes zu sichern, sondern ihn von den Verführungen des Nationalsozialismus abzuschirmen, was Figl nachhaltig gelang.

Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass Figl nach dem Anschluss am 12. März 1938 mit dem ersten, sogenannten „Prominententransport“, ins Konzentrationslager Dachau verschickt wurde. Dunkel- und Isolierhaft, körperliche Marter und Schläge am „Bock“ konnten jedoch seinen festen christlichen Charakter nicht brechen, im Gegenteil – er verstärkte jenen Geist der „Lagerstraße“, wonach alle Demokraten gemeinsam trotz vorhandener Gegensätze am Wiederentstehen eines freien Österreichs zusammenarbeiten müssten. 

1943 entlassen, fand er Beschäftigung unter seinem Freund Julius Raab bei einer niederösterreichischen Straßenbaufirma. Auf seinen berufsbedingten Reisen durch das Land knüpfte er sofort Kontakte mit etlichen Freunden und legte so den Grundstein für eine christliche, bürgerliche Partei und ein freies Österreich. 

Durch Indiskretion verraten, wurde Figl im Herbst 1944 neuerlich verhaftet und in das Konzentrationslager Mauthausen verbracht. Im Jänner 1945 wurde er schließlich in das Straflandesgericht Wien überstellt und er erwartete seine Hinrichtung in der Todeszelle. Nur der rasche Vormarsch der Roten Armee verhinderte seine Exekution und im allgemeinen Chaos der letzten Kriegstage wurde er entlassen.

Am 12. April 1945 wurde Leopold Figl vom sowjetischen Marschall Tolbuchin beauftragt, im Rahmen einer provisorischen Regierung unter Staatskanzler Renner mitzuarbeiten. Die deutsche Wehrmacht kapitulierte erst am 8. Mai, doch bereits am 27. April 1945 konnte die Republik Österreich ausgerufen werden, nachdem es gelungen war, auch Kontakte mit den westlichen Bundesländern herzustellen. Am 25. November fanden die ersten demokratischen Wahlen seit 1932 statt. Die unter Figl neu gegründete Österreichische Volkspartei errang dabei die absolute Mehrheit. Dem politischen Grundkonsens entsprechend wurde eine Koalitionsregierung aller zugelassenen Parteien – ÖVP, SPÖ, KPÖ – gebildet. Leopold Figl wurde erster Bundeskanzler der Zweiten Republik.


Es galt nun vor allem, die lebensnotwendige Versorgung mit Nahrungsmitteln sicherzustellen, Schutt und Trümmer zu beseitigen und am Wiederaufbau zu arbeiten, außerdem die Freilassung der Kriegsgefangenen zu erwirken. Hiebei kamen ihm seine Kontakte zur Bauernschaft und Bauwirtschaft zugute, seine Zähigkeit in Verhandlungen, sein ungebrochener Optimismus und christliches Weltbild: „Glaubt an dieses Österreich!“ – Es galt, selbstbewusst gegenüber den Sowjets und damit verbundener kommunistischer Agitation aufzutreten, die Aufnahme in den Marshall-Plan und damit ERP-Hilfe zu erwirken und vor allem, Verhandlungen zur vollständigen Souveränität Österreichs in die Wege zu leiten. Von der ersten Londoner Konferenz 1947 bis zum Jahr 1955 war es noch ein weiter und steiniger Weg. Leopold Figl stand in diesem Ringen um Unabhängigkeit stets an erster Stelle. 

Nachdem die erste Phase des politischen und wirtschaftlichen Wiederaufbaues nach dem Weltkrieg abgeschlossen war, die Österreicher wieder in Sicherheit und materieller Zufriedenheit leben konnten, wurde Figl nach den Nationalratswahlen im Februar 1953 von Julius Raab als Bundeskanzler abgelöst.

Im November 1953 wurde Figl an die Spitze des Außenministeriums berufen. In den entscheidenden Verhandlungen in Berlin 1954, Moskau 1955 und noch am Vorabend der Unterzeichnung konnte er wesentliche Impulse setzen und so vor allem die „Mitschuldklausel“ aus dem Vertragswerk herausreklamieren. Am 15. Mai 1955 unterzeichnete Leopold Figl für Österreich gemeinsam mit den Außenministern der Besatzungsmächte – Dulles (USA), Molotow (UdSSR), McMillan (GB), Pinay (Frankreich) – im Schloss Belvedere in Wien den Staatsvertrag. Voll Stolz konnte er am Ende seiner Ansprache ausrufen:

 

Österreich ist frei!

LEOPOLD FIGL, 15. MAI 1955

Bild © VOTAVA/Bildarchiv der ÖNB

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Der erfolgreiche Wiederaufbaukurs Österreichs setzte sich unbeirrt fort. Aufnahme in die Vereinten Nationen und in den Europarat bewiesen aktives außenpolitisches Engagement. 1957 nahm die Internationale Atomenergiebehörde ihren Sitz in Wien, viele weitere UN-Behörden sollten später diesem Beispiel folgen.

1959 schied Leopold Figl aus der Regierung aus und wurde Erster Präsident des Nationalrates. Hier kam neuerlich sein ausgleichendes Wesen zur Geltung und seine demokratische Gesinnung. In seine Amtszeit fällt die Einführung der parlamentarischen Fragestunde um so die Kontrollrechte der Abgeordneten gegenüber der Regierung zu stärken.

Im Jänner 1962, nach dem Tod von Johann Steinböck, wurde Figl einstimmig vom niederösterreichischen Landtag zum Landeshauptmann gewählt. Er kehrte damit am Ende seines Lebens in jene Funktion zurück, die er bereits am Beginn interimistisch 1945 ausgeübt hatte. Es war dies vielleicht seine glücklichste Zeit, war er doch nunmehr unmittelbar bei seinen Bauern und engeren Landsleuten.

Mit Anfang 1965 verschlechterte sich sein Gesundheitszustand zunehmend und eine unheilbare Krebserkrankung, sicherlich auch bedingt durch das Martyrium der Lagerjahre, nahm seinen Lauf. Am 9.Mai 1965, wenige Tage vor dem zehnjährigen Jubiläum des Staatsvertrages, starb Leopold Figl.

Weitere Informationen zu Leopold Figl finden Sie im Austria-Forum.